Sächsisches Realienbuch 1937
Band 161

XIX. Luftschutz

72. Die Abwehr

Der Flugmeldedienst erkundet den Anflug feindlicher Luftstreitkräfte, und der Luftschutzwarndienst warnt die Bevölkerung des bedrohten Landesteiles. Er gibt bekannt: 1. Luftgefahr, 2. Fliegeralarm, 3. Fliegeralarm und Ende, 4.Luftgefahr vorbei. Der militärische Luftschutz bekämpft feindliche Luftstreitkräfte. Der zivile Luftschutz ist dagegen Wirkungsschutz und hat folgende Aufgaben: 1. Sicherheits- und Hilfsdienst, 2. Selbstschutz, 3. Werksschutz und Schutz der Reichsbahn und der Reichspost. Diese Aufgaben können erfüllt werden durch: 1. Zukünftig aufgelockerte Bebauung der Städte, 2. Bau von Schutzräumen und Schutzgräben, 3. Tarnung (Verdunkelung, Vernebelung, verdeckte und verkappte Anlagen), 4. besonderen Brand- und Kampfstoffschutz.   

73. Der Selbstschutz
In unserem Wohnhaus ist ein Keller ALS Schutzraum ausgebaut. Er soll gegen Splitter, Luftdruck beim zerplatzen der Bomben, abstürzende Trümmer und Kampfstoffe schützen. Die Decke des Raumes ist verstärkt und gut abgestützt. Tür und Fenster sind gegen Gas abgedichtet. Die Fenster werden noch durch Sandsäcke gesichert, Zu der Tür führt ein Vorraum, die Gasschleuse. Auch ein Notausgang ist vorhanden. Ein Luftfilter dient der Lufterneuerung. Er saugt Außenluft an und reinigt sie von Giftstoffen. Wir sehen in dem Schutzraume Sitzgelegenheiten, eine Notapotheke und einen Notabort. Die Beleuchtung erfolgt durch elektrische Taschenlampen. Offene Feuer verschlechtern die Luft (§ 17). - Auch gegen Brandschäden ist Fürsorge getroffen. Der Hausboden ist entrümpelt. Zum bekämpfen von Brandbomben (§ 25) steht Sand bereit und Holzteile sind mit Feuerschutzmitteln (§ 27) getränkt. Alle Hausbewohner, auch Hausfeuerwehr, Laienhelfer und Meldegänger unterstehen dem Luftschutzhauswart. Er besitzt während des Einsatzes des zivilen Luftschutzes in seinem Hause Polizeigewalt. Ihm zur Seite steht der stellvertretende Hauswart, der sich während des Luftangriffes in der Gasschleuse aufhält. Alle Hausbewohner, die außerhalb des Schutzraumes ihre Pflichten zu erfüllen haben, müssen mit einer Gasmaske (§ 26) ausgerüstet sein.
Der Luftschutz wird ausgerufen!
Der Schutzraum wird überprüft, Notbeleuchtungen, Handfeuerlöcher ($ 27), Feuerpatschen, Gefäße mit Wasser werden bereit gestellt. Der Boden des Dachgeschosses erhält möglichst eine 5cm dicke Sandschicht. Die Wände werden zum Schutz gegen Zerspringen mit Papierstreifen kreuzweise überklebt. Lebensmittel werden luftdicht eingeschlossen (Brotbüchse, Pergamentpapier). Das Haus wird abends so verdunkelt, das kein Lichtschimmer nach außen dringt. Noch einmal unterweist der Hauswart die Hausbewohner über ihre Pflichten.
Alarm!
Sirenen heulen. Der Hauswart alarmiert die Hausbewohner. Die Gas- und Wasserhaupthähne werden geschlossen, der Hauptlichtschalter wird ausgedreht. Die Feuerwehr eilt auf ihre Plätze (Dachgeschoss, Treppenabsätze). Der Hauswart greift überall helfend und ratend ein. Die anderen Hausbewohner begeben sich in den Schutzraum.
Luftangriff!
Der Schutzraum wird geschlossen. Wird er schadhaft, so ist sofort mit allen Mitteln abzuhelfen. Eine in das Dachgeschoss eingeschlagene Brandbombe wird von der Feuerwache mit Sand bedeckt und mit der Schaufel in einen sandgefüllten Eimer geworfen! Brennende Holzteile werden mit Wasser überschwemmt. Gasverseuchte haben sich in der Gasschleuse, soweit es notwendig ist, zu entkleiden. Der Laienhelfer leistet verletzten erste Hilfe.
Öffentliche Sammelschutzräume benutzen solche Personen, die ihren Hausschutzraum unmöglich rechtzeitig erreichen können. Fahrzeuge, die ihre Unterkünfte nicht mehr erreichen, halten scharf rechts an der Häuserfront.
Nach dem Luftangriffe!
Die Benachrichtigung über Entwarnung wird abgewartet. Der Hauswart überzeugt sich, ob er die Entwarnung in seinem Hause durchführen kann. Bei Vergasung des Hauses wird für scharfen Durchzug der Luft gesorgt und einprozentige Sodalösung wird ausgestäubt. Bei Gelbgasverseuchung ist der Entgiftungstrupp in jedem Fall anzufordern (§ 15)

Quelle:L. Rahnmeyer und H. Schulze
Sächsisches Realienbuch
Band 164 / 1937
Privat Archiv Axe
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Im Originaltext wiedergegeben.

Vernebelung einer Eisenbahnstrecke, wie sie bei deutschen Luftschutzübungen ausprobiert wird. 

Im Jobanneum, der größten höheren Schule in Lübeck, wurden auf Grund der Erfahrungen, die man aus den miltärischen und zivilen Luftschutzübungen der Reichsmarine gesammelt hat, die ersten bomben- und gassicheren Schutzräume errichtet. In Zukunft sollen in Deutschland nach den Plänen der Luftshutz - Organisation in allen Neubauten diese gas- und bombensicheren Zufluchtsräume eingebaut werden. Die massiven Kellerdecken sind gegen Einsturzgefahr bei Bombenexplosionen mit starken Balken gestützt. der Schutzraum ist mit Lebensmitteln und Trinkwasser auf zwei Tage für 30 Personen versehen, eine Funkanlage erhält die Verbindung mit der Außenwelt aufrecht. Handwerkzeug liegt bereit, um den möglicherweise verschütteten Ausgang frei zu machen.

Quelle:

Getippt: Axel


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