Waffenschmiede und Hochtechnologiezentrum Landeshut (Kamienna Gora)

Teil 2   HEMALAT – Heeresmunitionsanstalt Landeshut

Teil 1  U - Verlagerung BONIT

Die Munitionsanstalt im Antonienwald

"Je mehr das deutsche Reich unter alliierter Luftangriffe geriet, deren Bombenterror sich zunehmend direkt gegen die Zivilbevölkerung in den Städten richtete, desto mehr wurde versucht, wichtige Fertigungsbereiche insbesondere für die Rüstungswirtschaft unter Tarnbezeichnungen in unterirdische Depots in weniger gefährdeten Landstrichen zu verlegen.  Landeshut wurde so in diese Maßnahmen einbezogen, wobei wohl nur das Kriegsende und die Nähe zur russischen Front die Stadt und die Umgebung vor einem vernichtenden Bombenteppich aus der Luft bewahrt haben.

Im Antonienwald … wurde während des Zweiten Weltkriege eine geheime Munitionsfabrik angelegt. Was dort genau produziert und gelagert wurde, blieb der ortsansässigen Bevölkerung verborgen. Doch es gibt Augenzeugen wie H. D. Der vom 01.10.1940 bis August 1943 als Elektrolehrling und -geselle der Firma Elektro – Vogt in dieser Fabrik arbeitete und dessen Angaben mit berücksichtigt wurden.

Die Produktionsräume lagen in den überirdischen Arbeitsbaracken. Die Anlage war mit ca. 8km langen und ca. 2m hohen Stacheldrahtverhauen hermetisch abgeschlossen und wurde streng bewacht, zunächst durch eine Wach- und Schließgesellschaft, später durch nicht mehr „fronttaugliche“ Soldaten. Die Fenster in den Arbeitsbaracken setzten ca. 30 bis 40cm über dem Boden an und waren leicht zu öffnen, so daß sie einen schnellen Fluchtweg für den Notfall ermöglichten. Die Fußböden in den Räumen, in denen mit Pulver gearbeitet wurde, waren mit Sisalbelag ausgestattet,um so Funkenbildung und eine damit Brand- und Explosionsgefahr zu minimieren.

In den Arbeitsbaracken arbeiteten deutsche dienstverpflichtete Frauen und „Ostarbeiter“, keine Kriegsgefangenen. An jedem neuen Arbeitstag wurden sie zu strengster Geheimhaltung verpflichtet. Sie mußten angelieferte Granaten und Kartuschen mit Sprengstoff füllen; es handelte sich überwiegend um 7,5cm und 8,8cm Panzersprengmunition. Die fertige Munition wurde in unterirdischen Bunkern im Berg bis zu ihrem Abtransport durch Lastkraftwagen gelagert. Teilweise wurde auch ein Gleisanschluß vor allem für Materiallieferung benutzt, der von Landeshut zum Antonienwald gebaut worden war. Zudem wurde in einem gesonderten Bereich sogenannte Beutemunition aus Russland zerlegt und untersucht.

Neben den Arbeitsbaracken befanden sich Wohnhäuser für die Betriebsleitung und deren Angehörige sowie weitere Einrichtungen für die Arbeiter eine Werkstätten, Kantine und sanitäre Anlagen. Mehrere massive Wohnbaracken befanden sich in unmittelbarer Nähe zu den Wohnhäusern. Außerdem befand sich eine kleine Druckerei auf dem Betriebsgelände, die auch die Aufschriften für die Transportkisten herstellte: „HEMALAT“ für Heeresmunitionsanstalt Landeshut. Der Leiter dieser Anstalt war laut einem Vermerk der Ziedertalbahn vom 23.03.1943 Hauptmann Finke.

Oberhalb dieser Anlage war ein gesondert mit Stacheldraht abgezäuntes und ringsum beleuchtetes Gefangenenlager,zunächst für französische, ab 1941 / 1942 für russische Kriegsgefangene.

Am Waldrand oberhalb der heutigen Antonienwald – Siedlung waren im Jahr 2001 noch 19 behelfsmäßige Holzkreuze ohne Namen und überwiegend ohne Grabstellenmarkierung zu finden. Hier sollen vor allem zahlreiche bei der Arbeit verstorbene russische Kriegsgefangene begraben worden sein, die nach Erzählungen meist an Unterernährung und in deren Gefolge an Krankheiten gestorben sein sollen; Kriegsgefangene aus westeuropäischen Ländern wurden von ihren Angehörigen per Post mit Lebensmitteln versorgt, so daß deren Todesrate deutlich niedriger als bei den Russen war.

Ein aus der Gefangenenschaft geflüchteter englischer Offizier hielt sich bei einer deutschen Frau in Kupferberg versteckt und gab von dort aus ins Ausland Nachrichten über diese Fabrik. Amerikanische Aufklärungsflugzeuge versuchten sie zu lokalisieren, was ihnen aber bis Kriegsende nicht gelang. Die Schützen der niedrig fliegenden Jagdflugzeuge machten ich aber oft stattdessen das „Vergnügen“, auf die auf den Feldern arbeitenden Leute zu schießen.

Nach Kriegsende besetzten die Russen sofort das Objekt und transportierten einige Maschinen nach Rußland. ab. Die vorhandene Munition wurde in Niederforst aufgestapelt und anschließend gesprengt. Noch heute befinden sich dort große Sprenglöcher und Schilder warnen vor den Gefahren beim Betreten dieses Gebietes. Die Fabrik war bis 1950 in russischen Händen; wie zuvor war weiterhin alles streng geheim und nichts drang an die Öffentlichkeit, was dort geschah. Kurz vor dem endgültigen Abzug der Russen wurde das Werk von diesen unter Wasser gesetzt, die Eingänge zugemauert und unkenntlich gemacht.

Polnische Ingenieureinheiten versuchten 1967 das Wasser aus dem Hauptwerk zu pumpen, aber selbst die ergiebigsten Pumpen schafften es nicht, den Wasserspiegel auch nur um ein paar Zentimeter zu senken. Von daher nimmt man an, daß seinerzeit ein natürlicher Wasserzufluß geschaffen wurde, der es unmöglich macht, das Wasser zu entfernen. Bei dieser Pumpaktion konnte man durch Metalldetektoren feststellen, daß sich in den Sohlen der Gänge wohl riesige Mengen Metall befinden müßen; da man daraufhin befürchten mußte, daß dies u. a. Sprengkörper sein könnten, wurde die Aktion gänzlich abgebrochen und die weitere Suche eingestellt.“[1]


Quelle:
[1] Jürgen Schwanitz, Rohnau am Scharlachberg - Umfassende niederschlesische Geschichte rund um ein kleines Riesengebirgsdorf im Landeshuter Raum

© Team Bunkersachsen 2013

 

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