Freitag 23. Mai 2014     Zeitgeschehen     Freie Presse
Das Thema: Feldpost im ersten Weltkrieg

Lebensader in die Heimat
 

Briefe und Karten waren vor 100 Jahren für viele Familien die einzige Möglichkeit, Kontakt zu halten. Entsprechend wichtig war die Feldpost. Leser haben der „Freien Presse“ nach einem Aufruf tausende Dokumente geschickt – entstanden ist daraus eine Serie, die am Montag beginnt.

Feldpost (4)

Wir kommen jetzt nicht mehr zur Ruhe

geschr. Den 16.8.15
Meine teure Gattin & Kinder
Komme heute dazu Euch einen Brief zu schreiben, und lege den Brief von Schw. Löbel bei. Ich hatte vor längerer Zeit Bruder Müller in Leipzig geschrieben und wundere mich daß er mir nicht schreibt. Ich muß sagen,daß ich überhaupt mehr von den Gemeinschaftsleuten erwarte habe.

Bis hierher habe ich gestern den Brief geschrieben nun geht es wieder weiter mit schreiben. Heute ist seit langer Zeit wieder ein Sack Post verteilt worden, für mich war aber noch nichts dabei. Es sind bei der großen Bagage ca 40 Sack Post für unsere Kompagnie da, aber es sind nicht genügend Geschirre da. Die Nacht sind die Russen wieder ca 10 Klm. gerückt, und wir müssen immer hinterher, kommen nicht mehr zur Ruhe. Gestern haben wir gedacht, wir hätten 1 Tag Ruhe, nach einer Stunde kam Befehl abrücken, da giebt es aber Launen. Am schlechtesten steht es mit dem  Brot, da giebt es Tage wo wir garkeins haben, heute gab es auch blos eine kl. Ecke. Wer Obst von den Bäumen entnimmt, wird mit Anbinden an den Baum bestraft, daß ist wegen Cholera. Wir müssen immer sehen, das wir Kartoffeln erwischen, Du glaubst nicht l. Frieda was wir jetzt Kartoffeln mit Salz essen. Aber wir wollen nicht murren, sondern froh sein, daß wir noch das haben. Jeden Tag erhebe ich mein Auge zu Gott, und muß bekennen, daß er mich sichtlich in seiner Hand führt.

Bei solchen Gefechten und starken Artilleriefeuer ist es wunder, wenn man gesund davon kommt, liebes Herz da lernt man Gott loben & preisen. Wir sind jetzt ganz im Norden, wenn nur bald die Sachen kommen, hier siehts bald aus wie schneien, hauptsächlich des Nachts.

Meine Adresse ist jetzt,
176. Inf. Brigade
88. „ Division
Inf. Reg. No. 351, 5 Kompagnie

 

 

Zur Post:
Das ist der vierte noch erhaltene Feldpostbrief von Georg Hauck. Das Schreiben war gerichtet an Frieda Hauck. Das Ehepaar Hauck lebte mit den vier Kindern zunächst in Zwickau. Die Frau war während des Krieges dann nach Freiberg gezogen. Die Schriftstücke wurden von H. Hauck an die „Freie Presse“ gesandt, dem Enkel von Georg Hauck.

Bei der Übertragung der Briefe wurde die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.
 

Feldpost (5)

Überlebe ich, so schreibe ich weiter

Meine lieb teure Frau & Kinder!
Wir sitzen schon seit gestern früh, ein jeder in einem Loche, vor uns ein Bahndamm, welcher von uns erstürmt werden soll. Wir sind gestern früh ca. 1000 Meter vorgegangen, haben uns vorläufig eingegraben, dazu heftiges Granatfeuer erhalten. Es wird nicht so leicht sein, diesen Bahndamm zu (…), denn wie wir durch Fernglas sehen, haben sich die Russen stark verschanzt und ist eine Schießscharte an der anderen.

Gestern ist die ganze Post herangewesen können aber diese nicht eher erhalten, bis der Sturm vorbei ist. Wir könnten dieselbe ja ganz notwendig gebrauchen, denn jetzt ist vorm. 11. Uhr und haben noch nichts im Magen, nicht ein Stück Brot mehr. Meine liebe Gattin der Sturm wird gleich beginnen, ich vertraue auf den Allerhöchsten, daß er mich auch hier wieder durchbringen wird, und sollte es Sein guter Wille sein, mich nicht wieder zurückkehren zu lassen, so lebt wohl und bleibt in des Herrn Arme, bis wir uns bei Ihm dem treuen Gott wiedersehn.

Bis hierher schreibe ich diese Zeilen vor dem Sturm, überlebe ich diesen, so schreibe ich weiter.

 

 

Zur Post:

Die ist der letzte Brief von Georg Hauck. Das Schreiben stammt vom 19. August 1915. Im Bild ist vermutlich jener Eisenbahndamm mit Brücke von den Georg Hauck im Brief spricht. Er, Vater von vier Kindern, hat den Sturm nicht überlebt. Die Schriftstücke wurden von H. Hauck an die „Freie Presse“ gesandt, dem Enkel von Georg Hauck.

Bei der Übertragung der Briefe wurde die historische Schreibweise weitestgehend beibehalten.

 

II. Feldpostbriefe & -karten von Soldat Martin Schneider, 04. März 1874 - 10. Oktober 1952

Feldpost (6)

10 Stunden im Bahnwagen geschlafen

8. 12. 16

Lieber Fritz!

Wir sind bis jetzt 3 Tage + 3 Nächte gefahren und sind über Brüssel durchgefahren. Habe von abend 7 Uhr bis früh 5 Uhr, also 10 Std. im Bahnwagen geschlafen und bin froh und munter.

Auf Wiedersehen, Dein Vater:

 

Einen Tag darauf schreibt Martin Schneider auf einer weiteren Karte, dass er angekommen ist.

 

Westen, 9.12.1916

Lieber Fritz!

Wir sind in unser Quartier 4 Tage + 3 Nächte gefahren, es war sehr interessant. Das Essen war gut. Das Quartier ist besser als ich erwartete. Bitte sendet mir nur ½ bis 1 Pfund Päckchen, die kann man in drei Tagen haben, also schon vor Weihnachten, andere große Pakete gehen 2-3 Wochen. Uns geht es gut.

Auf Wiedersehen

Dein Vater

 

Zu Weihnachten 1916 schreibt der Vater etwas ausführlicher.

 

Westen, 24.12.1916

Lieber Fritz!

Deine Briefe und Zeitungen habe ich erhalten, aber von den Päckchen ist noch keines eingetroffen. Auch von anderen Kameraden deren Angehörige auch 4-8 Stück abgeschickt haben, ist noch keines eingegangen. Ich habe mir aber mit einem Soldat aus Börnichen in der Küche tüchtig geholfen, so dass ich mir in gar (…) Tagen toll und vollgegessen habe. Unsere Weihnachten ist bis jetzt besser verlaufen, als Ihr vielleicht vermutet. Am heiligen Abend war im Schloß großer Festgottesdienst, der war großartig, abends habe ich mit ein paar Anderen einen Christbaum aus einem Park geholt, denn stundenweit ist hier keine Fichte, Tanne oder Kiefer zu sehen, nur Pappeln, Eschen und Eichen. Alle andere steht auf der Mama Ihrer Karte. Gruß Dein Vater

 

Zur Post:

Diese Karte schrieb Martin Schneider, Jahrgang 1874 und gelernter Tüllweber, an seinen Sohn Fritz. Dieser, geboren 1898 in Augustusburg, wurde im ersten Weltkrieg auch noch zum Militär gezogen. Die Schriftstücke hat H. Schneider, Enkel von Martin und Sohn von Fritz Schneider, der „Freien Presse“ gesandt. Er mußte im zweiten Weltkrieg an die Front und verlor da seinen Arm. Er wurde Lehrer und lebt heute als Rentner in Augustusburg,

 


Quelle: Freie Presse

 

Team Bunkersachsen 2014



 

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