Die Fabrikstraße 6 unmittelbar am Chemnitzer Kaßberg

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Mit dem Verein www.chemnitzer-gewoelbegaenge.de/ in die Vergangenheit und unter die Füße von Chemnitz / Karl – Marx – Stadt / Chemnitz. Eine beeindruckende Reise in die fast 500 Jahre alten Gewölbe, mittelalterliche Kreuzwege,  Berg- Felsen- und Bierkeller sowie späterem Luftschutz. Auch das MfS interessierte sich für Teile der verschiedenen Zugänge ins unterirdische Reich.

Auf seiner Weltnetzseite wirbt der Verein ...
„Die Gewölbegänge im Kaßberg zu Chemnitz sind ein unterirdisches Hohlraumbauwerk nichtbergbaulichen Charakters im Steilhang des Kaßberges entlang der Fabrikstraße, in dem Schönheit, Solidität und Sorgfalt der Bauausführung eine beeindruckende Harmonie ausstrahlen, und das auf drei Ebenen in besonderer Weise vom Fleiß, vom Erfindungsgeist und von der Hartnäckigkeit unserer Urväter erzählt. 1531 erstmals urkundlich erwähnt, diente das ehrwürdige Bauwerk mit seinen eigenartigen Gangkrümmungen, -verengungen und -erweiterungen den Chemnitzern über Jahrhunderte als natürlicher, riesiger Kühllagerraum“.

Der Große Saal
Vor Beginn der Befahrung gab es im Großen Saal eine zünftige Stärkung. Unser Führer für die folgenden Stunden, Thomas, gab uns während wir es uns munden ließen einen kleinen Einblick in die historischen Hintergründe der Entstehung dieser großartigen, teils mittelalterlichen Gewölbegänge. Aufmerksam folgten seinen anschaulichen Erläuterungen, hin und wieder gepaart mit urtypischem sächsischem Humor. Der Große Saal ist wie nun alle folgenden ein herrlicher Gewölbeausbau. Einzelne Zu- und Abgänge ins anschließende umfassende Streckensystem, dem herrlichen Gewölbelabyrinth gehen von diesem Saal aus. Diesen Bereich hat der Verein in liebevoller Arbeit für Veranstaltungen hergerichtet. In ehrwürdiger Umgebung, mit dem Hauch uralter Knappenumtriebe kann man hier Feierlichkeiten abhalten oder Aktivitäten verschiedenster Art buchen und erleben. Und nicht nur der Hauch der einstigen Knappen, nein auch der Hauch unseres heutigen Berggeistes Thomas wich uns nun nicht mehr von der Seite. Schnell waren wir um Jahrhunderte zurückversetzt.

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Bereich im Urzustand
Vom großen Saal aus fahren wir nun in einen Bereich des großartigen Gewölbelabyrinths welches im Urzustand erhalten geblieben ist. Vorbei an diversen Nebengängen steht man unvermittelt in einem ca. 8m langen unvermauerten Stollen und endet an einer Einsturzstelle. Auch hier wieder die schönen Gesteinsstrukturen die sich nun im Lichtkegel unserer Lampen ein wahres Schauspiel an kaum zu übertreffender Farbenpracht liefern. Der Anfang des im 16ten Jahrhunderts hier so reingeschlagenen Ganges ist völlig jungfräulich, die Spuren der Haueisen zeugen von der harten Knappenarbeit vergangener Zeiten. Nur die Größe lässt darauf schließen das dieser Abschnitt von Anfang an als Lager genutzt werden sollte. Durch ein erneuertes Gesetz zur Bierlagerung mussten 1840 bauliche Umbauten vorgenommen werden. Dies ist sehr gut am eingezogenen gemauerten Gewölbebausbau zu sehen. Der bergbauliche Ursprungsbereich geht hier in den ab 1840 vorgeschriebenen Mauerausbau über. Begradigung, Erweiterung und genannter Ziegelausbau sind hier auf einem Blick nachvollziehbar.


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Übergang Ziegelausbau & Urzustand

Der „kleene“ Saal
ist gleichzeitig der feuchteste im ansonsten gut bewettert und trockenem Gewölbesystem. Hier gibt es neben der immer wieder verzaubernden Bauweise noch zwei Besonderheiten. Zum einen hängen sicherlich über tausend vermeintliche, im geologischen Sinne unechte Stalagtiten an der Gewölbedecke. Rotliegender Basalt und Schiefer haben keinerlei Kalkgehalt und so könnten auf Grund der Gesteinsstruktur derartige Zapfen gar nicht wachsen. Es handelt sich hierbei um Auswaschungen des ehemaligen Hygienekalkanstrichs der für die Nutzung als Luft – Schutz – Anlage (LSR) vorgeschrieben war. Ein imposantes Bild wie der einstige Sicherheitsanstrich zur Vermeidung von Infektionskrankheiten als Kalkzapfen von der Decke hängt. Das anfallende Sickerwasser spült nun im Laufe der Zeit den Anstrich aus der Ziegelummauerung bis irgendwann einmal nichts mehr davon zu sehen sein wird. Dieser Gewölbebereich hat einen direkten Zugang zur Weinhandlung „Schliwa“ in der Fabrikstraße, ist allerdings für die Besucher nicht zugänglich.
Weiterhin interessant ist eine eigens für den Besucherverkehr liegen gelassene frühere Einsturzstelle. Diese zeigt den Gästen extra zur Veranschaulichung die einzelnen Gesteinsarten des vorherrschenden Gebirges hier im Kaßberg. Vorrangig zeigt sich das rote, liegende und relativ weiche Basaltgestein und Grauschiefer in der Abbruchszone. Besonders gut ist hier der Übergag der Gesteinsformationen in die Gewölbeummauerungen zu erkennen. Art und Weise der Ziegelsetzung lässt die hohe handwerkliche Kunst seiner Erbauer erkennen. An dieser Stelle stehen ca. 10 m Deckengebirge über der Anlage.

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Die unechten Stalagtiten aus Hygienekalk& die Einsturzstelle

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Weinstollen, mittelalterliche Fassrollbahn & Kreuzgewölbe
Durch das Gangsystem weiter gelangt man zu einen Gewölbestollen mit einer mittelalterlichen Fassrollbahn. Das heißt, einer gleisähnlichen Konstruktion zum einfachen befördern, also rollen der Bierfässer. Die Fässer selbst waren konisch gearbeitet und konnten somit mühelos bewegt werden. Im übrigen sind große Teile des Fußbodens mit Ziegeln ausgelegt. Auch hier gab es einen Zugang zur Fabrikstraße. Bei einem der herrlichst gemauerten Kreuzgewölbe kamen wir nun ins schwärmen und betrachteten uns ausführlich die meisterhafte Arbeit unserer Ahnen. Heute ist man wohl kaum mehr in der Lage, trotz Computer und anderer Hilfen derart meisterhaftes zustande zu bringen. Man kann nur staunen, sich erfreuen und ehrfurchtsvoll den Alten Meistern Respekt zollen.

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Die Fassrollbahn

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Der Mittelstollen
Vorbei an einer gasdichten Schleusentür führt uns nun Berggeist Thomas und berichtet, das wir uns hier schon gar nicht mehr im oder unter dem Kaßberg befinden. Unter der Kaßberauffahrt (Bericht: Bierbrücke & Kaßbergauffahrt) führt er uns durch einen wunderschönen Gewölbestollen. In den Berg getrieben 1870,  im Zuge des Baues der darüber liegenden Auffahrt. Am herrlichst ausgemauerten Stollenausbau haben sich damals in Chemnitz existierende Firmen beteiligt. So verschaffte man sich einen sicheren Zutritt in die Unterwelt um wichtige Dokumente, Materialien und ähnliches zu verwahren. Unter anderem die Firma Hartmann (Bericht: Hartmann Keller), sowie die Fa. Schwalbe & Söhne (Bau von Chemieanlagen - zu DDR  Zeiten bekannt als VEB Germania).

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Luftschutzstollen – LSR - Anlage
Die Luftschutzkeller im Kasselberg galten zur damaligen Zeit als die sichersten von ganz Chemnitz. Diese ursprünglich als Bierkeller in den Berg getriebenen Gewölbegänge wurden 1944 / 45 durch das Schutzprogramm vor Bombenangriffen als Luftschutzraum - Anlage aufgenommen und genutzt. Das Kommando und die Baukontrolle zum Umbau als LSR - Anlage oblag dem damaligen Leiter des Gau Sachsen, Martin Mutschmann.
Während der insgesamt sieben auf die Stadt durchgeführten Bombenangriffe wurden die umgebauten Kellerräume Zufluchtsstätte für tausende Chemnitzer und auswärtiger Bürger.
Wie bereits erwähnt, ist an einigen Stellen noch der ehemalige Hygienekalkanstrich zur Vermeidung von Infektionskrankheiten zu erkennen. Dieser war Vorschrift vor Inbetriebnahme einer LSR – Anlage. Der gesamte gemauerte Gewölbegang ist mit Hygienekalk gestrichen und so deutlich wie hier hab ich es noch nirgendwo sonst gesehen. Im Luftschutzstollen haben die Vereinsmitglieder den Urzustand wie zu Zeiten der Terrorangriffe wieder hergestellt. Anschaulich verdeutlicht mit Dauerleihgaben Chemnitzer Bürger werden Sachzeugen dieser schrecklichen Zeit präsidiert. Notaborte wurden wieder so aufgestellt wie sie die Schutzsuchenden einst vorfanden. Hinter leichten Trennwänden befanden sich die „Toiletten“ und die Fäkalien wurden während der Angriffe in Eimern unter den Notaborten aufgefangen. Auch die üblichen Luftschutzbänke, sie standen damals reih um im gesamten LS – Stollen, hat man in den Originalmaßen wieder angebracht. Bei Stromausfall konnte ein Dieselaggregat die Luftzirkulation und Notbeleuchtung in der Anlage aufrecht erhalten. Ausgelegt war die LS - Anlage für 540 Personen, allerdings waren bei den schlimmsten Bombardements über 2. 500 Menschen in diesen Katakomben um Schutz zu finden.
Berechnet wurde ja die Zulässigkeit der Personenzahl durch die existierenden Kubikmeter in Verbindung mit der benötigten Atemluft pro Person.
Bekannt ist, das es beim Eingangsbereich dieser LSR 12 Todesopfer zu beklagen gab. Vom 5ten zum 6ten März 1945 fielen sie abgeworfenen Brandbomben im unmittelbaren Zugangsbereich zum Opfer. Sie waren zum Zeitpunkt der Explosion nicht weit genug in die Anlage gelangt und erstickten somit am entzogenem Sauerstoff durch die enorme Hitze der gezündeten Brandbomben.
Ausgebombte Chemnitzer Bürger bekamen damals 300 Reichsmark, aber durch die verehrenden Bombenüberfälle gab es natürlich schon sehr bald nur noch das allernötigste zu kaufen, aber was war das schon gegenüber dem erlittenen Leid, des Verlustes der eigenen Kinder, der Mama oder der geliebten Großeltern. Zerfetzt, verstümmelt oder verbrannt, wie viele der Opfer gar nicht mehr gefunden oder identifiziert werden konnten wird wohl für immer der Wahrheit verborgen bleiben.

 

Eine schöne, interessante und unheimlich informative Befahrung ging zu Ende. Wir wünschen den Vereinsmitgliedern noch viel Durchhaltevermögen für ihre geplanten Vorhaben.

Text: Axel
Fotos: © Rainer & Jens

Quellen:
Vielen Dank an Thomas und das Gewölbekellerküchenpersonal
Broschüre und Weltnetzseite
www.chemnitzer-gewoelbegaenge.de/
Am Tag gesammelte Eindrücke und Aussagen

Chemnitzer Gewölbegänge e.V.

Hainstraße 125

09130 Chemnitz

Tel/Fax 0371/3346056

Email: info(at)chemnitzer-gewoelbegaenge(dot)de



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