Hoehlergeschichte (Teil 2)
 

Was sind Höhler?

Das Höhlersystem der Stadt Gera ist eine kultur-historische Besonderheit und touristische Attraktion. Vom 16. bis zum 19. Jahrhundert wurden durch Bergleute über 230 tiefliegende Wirtschaftskeller - die heutigen Höhler - angelegt, um dort Bier zu lagern. Entsprechend des Geraer Brauprivileges durchzogen die an die Bürgerhäuser angebundenen Höhler ohne Beachtung der Grundstücksgrenzen die gesamte Altstadt - insgesamt über eine Länge von ca. 9 km. Eine Vielzahl von Höhlern ist inzwischen wieder zuggängig.
Die Hoehler
Sie gehören zur ältesten Bausubstanz in Gera und liegen auch wie die ganze oberirdische Stadt noch im "Dornröschenschlaf". Über die Entstehung des Namens gibt es keine eindeutigen Überlieferungen. Das einmalige der Hoehler in Gera ist, daß hier eine Stadt unter der historischen Altstadt (innerhalb der Stadtmauern) liegt, mit einem Gewirr von Gängen und Kellern, die das untertägige Areal unterhöhlt und in seiner Anzahl, Ausdehnung, sowie dem Erhaltungszustand für Gera einmalig ist. Keller und Hoehler bilden einen bautechnischen Komplex.

(Qu: Dokumentation Hoehler Verein)

Hoehler Nr: 107 bis 109

©  Rainer

Hauswappen über dem Hoehlereingang Nr: 109, Stadtapotheke

An einem recht kühlen, fast unfreundlichen Januartag trafen wir uns mit zwei Mitgliedern des Vereins www.gera-hoehler.de/ auf dem Geraer Marktplatz im Zentrum der altehrwürdigen Stadt. Schell hatten wir gemerkt das die Chemie stimmte und wir durch unser gemeinsames Interesse an unterirdischen Anlagen, in diesem Fall die „Geraer Hoehler“, an diesem Tag noch schöne Stunden untertage verbringen würden. Es gab zu Beginn einige einführende Worte zur Geschichte der mittelalterlichen Stadt Gera, bevor es zum Apothekenhoehler hinab in die Unterwelt der thüringischen Stadt ging.

Hoehler Nr: 109

© Jens

© Rainer

Schnell war klar, die Chemie stimmt !

Die Hoehlertour begann mit dem Eintritt in die Stadtapotheke und dem darunter liegendem Keller. Nach einigen Stufen abwärts befanden wir uns schon vor dem da noch verschlossenem Gitter zum Hoehler Nr: 109, dem Apothekenhoehler. Hoehler des Jahres 1999. Es rasselte, der passende Schlüssel war im Schloss verschwunden und bewegte sich in die gewünschte Richtung. Schon hier im Vorraum ist der Keller gewölbeartig ausgebaut. Die Gittertür knarrt, steht offen und wir tauchen ab, gleich wieder über mehrere Stufen nach unten. Eine alte Bunkertür harrt hier nun seit mehreren jahrzehnten im geöffneten Zustand und gibt uns widerstandslos den Weg in die unterirdischen Lager der Apotheke frei. Wir befinden uns hier ca. 6m unter der Oberfläche. Der Lagerbereich fällt sofort durch seinen sanierten Zustand auf. Der Gewölbekomplex ist mit Natursteinmauerwerk und Ziegelsetzung vortrefflich hergerichtet. Die verputzten Wände erwecken den Anschein als seien sie mit einem Latex ähnlichem Anstrich versehen. Der Fußboden gestaltet sich in der Form, das es einen eingelassenen „Weg“ in den mit Ziegeln ausgelegten Unterboden gibt. Neben diesem „Weg“ ziehen sich niedrig gemauerte Sockel den Gewölbegängen entsprechend entlang. Verschiedenste betonierte Einbauten, Regale oder Ablagen sind hier dem Gebirge angepasst. Es sollten die einzigsten dieser Art während unserer Hoehlerbefahrungen sein. Dieser Hoehler ist eine Art Karree aus einem Rundumgang mit kleinen Lagernischen und einem weiterführenden Stollen. Einige Stufen abwärts zweigt der Gang zum Hoehler 108 ab.

© Jens

Hinab zum Hoehler Nr: 109

 © Jens

©  Jens

Dem Gebirge angepasste Einbauten und Lagernischen. Auch gut zu erkennen die gemauerten Absätze und der "Weg"

© Rainer

Verbindungsstollen

 Hoehler Nr: 108

Der Verbindungsstollen dürfte geschätzte 25m erreichen bei einer durchschnittlichen Höhe von 1,70m bis 2,00m. Und schon laufen die Linsen der Fotografen an. Tücher raus, wischen ist angesagt, während die Blicke nach oben zu einem alten Zugang gerichtet sind. Dieser wurde im zweiten Weltkrieg als Ersatzzugang in die eingerichtete Luftschutzanlage angelegt. Hier ist übrigens der Stollen mit einer ebenen Firste versehen und der Boden sauber betoniert. Aber schon wenige Meter weiter befinden wir uns wieder im schönsten Gewölbeausbau. Der Hoehler war einst auch durch eine Tür getrennt, dies zeigen die einbetonierten und leicht angerosteten Halterungen. Der Hoehler Nr: 108 besteht im Prinzip aus zwei Parallelstollen, die mit kurzen Verbindungsgängen verbunden sind. Mit etwa 7m ist dieser Kellerbereich der tiefste des Komplexes Nr: 109 bis 107. Bei einem dieser Verbindungsgänge wurde in den 1930er Jahren ein Notgang für die als Luftschutzhoehler deklarierten Gewölbe angelegt. Dieser Kriechgang stellt die Verbindung zum Hoehler Nr: 107 dar.

© Rainer

Ehemaliger Ersatzzugang zum Luftschutzstollen im Hoehler Nr: 108

© Lori

© Lori

Stollenstrecken Nr: 108

© Lori

Kriechtunnel von Nr: 108 zum .....

 

... Hoehler Nr: 107

Hoehler Nr: 107

Durch diese Not- oder Verbindungsröhre konnte die schutzsuchende Bevölkerung bei einem etwaigen Volltreffer von einem LS – Hoehler zum anderen gelangen. Dieser Durchgang oder auch Kriechröhre war praktisch Notgang und Ausweichmöglichkeit während der schrecklichen Stunden alliierter Bombenangriffe. Die Luftschutzröhre ist aus Betonringen, wie sie beim Schachtbau noch heute verwendet werden, gelegt. Eine Meisterleistung die Ringe mit 80cm Durchmesser durch die engen Stollengänge hier herunter zu verbringen. Hinter dem Kriechgang befindet man sich sogleich im Hoehler Nr: 107. Hier war einst der Notgang mit einem Gitter gesichert. Von der Gesamtfläche her gesehen der größte dieser insgesamt drei uralten Keller. Bestehend aus ebenfalls zwei Parallel- bzw. Längsstollen mit zwei Verbindungsgängen Auch dieser Hoehlerkomplex ist im schönsten Rundausbau mit vermauerter Gewölbedecke gehalten. Es hat den Anschein als seien die Wände zu Luftschutzzwecken mit Hygienekalk zur Vermeidung von Infektionen versehen. Nischen und kleine Einlassungen in den Stollenwänden tauchen hin und wieder auf. In den Einlassungen standen sicherlich einst die Grubenlampen oder Kerzen für die Bergleute. Auch eine Figur der heiligen Barbara, der Schutzheiligen der Bergleute, könnte hier einen Platz bekommen haben. Eine weitere Fluchtröhre taucht auf. Diese führt über ca. 4m direkt unter das heutige Standesamt. Nun, beim betrachten der Scheidungsrate in den letzten Jahren erhält der Name „Fluchttunnel“ eine völlig neue Bedeutung. Man könnte natürlich auch unbemerkt untertage zur Stadtapoheke gehen und sich für das Kampfgetümmel in der Hochzeitsnacht entsprechende "Verstärkung" holen.

 © Lori

Zum Standesamt

Zum Ausgang hin befindet man sich noch ganze 2,5m unter der Oberfläche. Ein weiterer Schacht führt unmittelbar senkrecht zum gepflasterten Garaer Marktplatz. Wie viele Menschen werden schon über die Schachtabdeckung gelaufen sein, nichts ahnend was sich da unter ihren Füßen verbirgt.
Der Weg führte uns nach der Erkundung von Nr: 107 wieder zurück durch die Fluchtröhre in den Hoehler Nr:108 um dann bei Nr:109 wieder hinaus auf den Markt zu gelangen. Die uralten ehrwürdigen Bierkeller versinken wieder in Finsternis. Festzuhalten ist noch, das fast alle Hoehler in diesem Komplex eine Höhe von etwa 1,80m bis 2,00m aufweisen.

© Jens

Parallelstollen mit Abzweig im 107er

 © Lori

© Lori

© Lori

© Rainer

In einem Dokument von 1942 in dem die öffentlichen Luftschutzräume dargestellt und vermerkt sind, ist ersichtlich das nicht alle Hoehler in das Schutzprogramm aufgenommen waren. Ein Großteil wurde daraufhin auf Privatinitiative der Bewohner aus- und umgebaut.

Ausdrücklich bedanken möchte ich mich noch bei den Geraer Vereinsmitgliedern, die mit viel Geduld und Ausdauer den netten Hinweisen der Fotografen folgten, hier und da aus der fotografischen „Schusslinie“ zu gehen.

Text: Axel
Fotos: © Loreen, Rainer & Jens

Quellen:
Die vortrefflichen Informationen von Hoehlersig und aller Mitglieder des Vereins die wir im Laufe der Zeit und Befahrungen kennerlernten. Und auch deren Frauen, die so manches mal auf ihre Gatten warten mussten wenn sie mit den Bunkersachsen unter Gera zu Gange waren!!!
www.gera-hoehler.de
Bei den verschiedenen Befahrungen gesammelte Eindrücke und Aussagen
 
© Team Bunkersachsen 2012

 

 

 

 

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