Freitag 23. Mai 2014     Zeitgeschehen     Freie Presse
Das Thema: Feldpost im ersten Weltkrieg

Lebensader in die Heimat
 

Briefe und Karten waren vor 100 Jahren für viele Familien die einzige Möglichkeit, Kontakt zu halten. Entsprechend wichtig war die Feldpost. Leser haben der „Freien Presse“ nach einem Aufruf tausende Dokumente geschickt – entstanden ist daraus eine Serie, die am Montag beginnt.

 


VII. Armin Günther

Feldpost (34)

Man macht eben mit, bis man liegen bleibt


Matigny, d. 24.10.14

Liebe Eltern!

Hoffentlich habt Ihr meine Karte von Sankt Groise aus erhalten. Die Post wird schlecht befördert. Wir haben heute den vierten Marschweg hinter uns. Wir marschieren meistens Nachts. Ich habe mir die Füße etwas wund gelaufen, aber es ist schon wieder besser. Aber ich glaube kaum, daß ich noch lange mitmachen kann, ich fühle mich furchtbar elend Brechdurchfall, Kopfschmerzen, ich habe schon 2 Tage nichts gegessen,  will aber nicht beim Stabsarzt gehen, denn man wird blos angeschnauzt. Man macht eben mit, bis man liegen bleibt. Die letzten Tage wollten welche zurückbleiben, welche nicht mehr mitkonnten, da trat die Pferdepeitsche in Funktion. In diesem Krieg spielt überhaupt die Peitsche und der Revolver eine große Rolle. Dafür bekommen dann die Herren Offiziere das Eiserne Kreuz. Wenn die Bevölkerung zu Hause manchmal wüßte wie es hier zugeht, würde die Stimmung wohl etwas bedenklicher werden. Wir lagen bei Eyllers auf einem Berge vor dem Feinde und hatten nichts zu essen. Zwei Mann hatten ihre Eiserne Ration angegriffen, da sind diese zwei Stunden an einen Baum gebunden wurden und daß bei Artileriefeuer ohne jeden Schutz.

Man muß sich wundern, daß überhaupt solche Offiziere noch existieren, aber wenn es ins Gefecht geht, da kommen die Herren ja hinterher. Wenn Ihr mir was schickt, so schickt mir bitte ein paar Schachteln Streichhölzer mit. Onkel Robert in Walden habe ich schon zwei mal geschrieben, aber die Post scheint nicht anzukommen. Es gehen hier manchmal Anfragen ans Regiment ein von Angehörigen und diejenigen schreiben fast täglich. Wir wissen noch nicht wie weit wir noch zu marschieren haben oder ob wir bald wieder ins Gefecht müssen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß wir an die Küste nach Calais oder nach Ostende kommen. Hoffentlich wird bald Schluß.

Es grüßt Euch alle Armin.

 

Zur Post:
Das ist der einzige erhaltene Brief von Armin Günther aus Salzung. Der junge Mann war unverheiratet. Seine Eltern bedienten eine Gastwirtschaft in Salzung. Sie wunderten sich über den offen kritischen Tenor des Briefes, darüber, dass er der Militärzensur nicht zum Opfer gefallen war, jedoch ahnten sie, dass ihr Sohn den Krieg nicht überleben würde, was dann offensichtlich auch der Fall war. „Es gab weder eine Todes-, noch eine Vermisstennachricht, noch wissen wir, ob und wo er ein Grab hat.“ Das teilte M. Knauth mit, die das Schriftstück an die „Freie Presse“ sandte. Sie ist die Enkelin von Armin Günthers Bruder Alfred.
Bei der Übertragung des Briefes wurde die historische Schreibweise nicht verändert.



VIII. Soldat Emil Rösch, 1913. Gefallen am 27. 05. 1918

Feldpost (35)

Den Heldentod fürs Vaterland erlitten

Sehr geehrte Frau Rösch!
28.5.18.

Mit Gegenwärtigen muß ich Ihnen die traurige Mitteilung machen, daß Ihr Mann der Soldat Emil Rösch den 27.5.18  40 nachmittags durch Inf. Geschütz in Rogfund eins bei den Kämpfen zwischen     
Leuily und Pont a bourson den Heldentod fürs Vaterland erlitten hat. Mit Rösch hat die Komp. einen treuen braven Soldat verloren der durch sein Pflichtbewusstsein, bei den Vorgesetzten, sowie Kameraden sehr beliebt war. Sein Andenken wird bei der Komp. In Ehren gehalten.

Die Gegenwärtigen andauernden Kampfhandlungen gestatten es nicht, daß Ihnen persönliche Mitteilung durch den Herrn Komp.Fhr. gemacht werden kann und wollen Sie hiervon Kenntnis nehmen.

Der Komp. ist es infolge des fortgesetzten Vordringens nicht möglich gewesen, die Beerdigung ihrer Gefallenen selbst vornehmen zu können, dies wird aber durch ein nachfolgendes Beerdigungskdo. getan. Nähere Einzelheiten wie Grabbeschreibung erfolgt später, sowie die Komp. davon unterrichtet wird.

Möge Gott Sie trösten in Ihrem herben Schmerz!

Indem ich mein herzl. beileid ausspreche zeichne … mann Feldwebel

 

Zur Post:
Das Foto zeigt Emil Rösch mit seiner Frau Martha und der ältesten Tochter Hildegard. 1913 geboren, im Brief wird Martha vom „Heldentod“ Ihres Mannes unterrichtet. Die blauen Flecken, so erzählt man sich in der Familie, stammen von den Tränen, die beim Lesen auf das Blatt fielen. Die Schreiben wurden eingesendet von S. Steinert aus Marienberg, dem Enkel von Emil Rösch.
Die historische Schreibweise wurde beibehalten.

 

Feldpost (36)

Mit noch 4 anderen Kameraden in einem Grabe

Sehr geehrte Frau Rösch!
26.6.18.

Mit meinem Heutigen teile ich auf Ihr Schreiben vom 18.____ mit, welches Sie an die Kasernenverwaltung gerichtet hatten, daß es mir infolge der fertigen letzten Veränderung nicht möglich war Ihnen etwas mitzuteilen. Vor Kurzem erst habe ich in Erfahrung bringen können, daß Ihr Mann mit noch 4 anderen Kameraden zusammen in einem Grabe auf dem Berg, an der Ailette zwischen Pont a Courton u. Leilly beerdigt worden ist, was ich Ihnen Hiermit zur Kenntnis bringe.

Betr. d. Eigentumssachen sei Ihnen mitgeteilt, daß das, was im Besitz Ihres Mannes war und zwar 1 Kopfkissen, 1 P. Hosenträger, 1 Taschentuch, 1 P. Hausschuhe, 1 Satz Putzzeug u. 1 Beußbeutel in einem Paket Am 19.6.18 an Sie abgesandt ist.

Viel wurde bevor es in Stellung ging bei der Bagage abgegeben.

Eigentumssachen die R. Bei sich noch hatte als er fiel sind von der Komp. Keine abgenommen worden, da er nichts mehr bei sich hatte.

Feldwebel



Zur Post:
Im Brief wird Martha Rösch, deren Mann Emil Rösch den „Heldentod“ gestorben ist, vom verbliebenen Eigentum in Kenntnis gesetzt. Auf der Trauerkarte an die Witwe heißt es vorgedruckt:

                                               „Lorbeer ziert sein Heldengrab!
                                           Wir denken sein am heimschen Herde,
                                                Für welchen er das Leben gab.
                                              Sanft decke ihn die fremde Erde!“

Martha und Emil hatten zwei Töchter, Hildegard und Gertrud.
Die Schreiben wurden eingesandt von S. Steinert, Enkel von Emil Rösch. Die historische Schreibweise wurde beibehalten.

 

Quelle: Freie Presse

 

Team Bunkersachsen 2014

 

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